Ruhepole, die nicht wackeln – Die Viemanns setzen Reihe der Geschwisterpaare in Aligse fort

Aligse. Es war an der Zeit, den Spieß einmal umzudrehen. Und so standen ihre Kinder unangekündigt Seite an Seite in der Sporthalle der BBS 14 in Groß-Buchholz. Zwischen den Sätzen holte sich Mutter Dorothee Viemann Tipps von ihrem Nachwuchs, bei der Manöverkritik nach dem 0:3 der Hobbymannschaft des HC/GfL Hannover beim VfB Hannover musste sie sich Sätze wie diese anhören: „Mama, da musst du schon mal explosiver durchschlagen und ein bisschen dynamischer an­lau­fen.“ Ja doch.

Die Kinder können ihre Leistung bestens einordnen, schließlich spielen sie beide selbst auf hohem Niveau Volleyball. Seit dem Sommer setzen Hanna (20) und Moritz Viemann (22) die lange Reihe der Ge­schwis­ter­paa­re bei den Drittligateams der SF Aligse fort. Die beiden wissen also, wovon sie reden, wenn die Mutter sie nach ihrer Meinung fragt.

In Hannover lebt die Familie Viemann seit acht Jahren. Die Wege von Mutter und Vater hatten sich 2001 getrennt, Kinderärztin Dorothee Viemann entschied sich 2011 für ein Jobangebot der Medizinischen Hochschule. Münster lag hinter ih­nen, nach der ersten Nacht im unfertigen Haus stand Andreas Ahlborn vor der Tür. „Ich würde Hanna gern zum Training abholen“, sagte der damalige Aligser Jugendtrainer. „Das war an einem Montagabend“, erinnert sich Dorothee Viemann. Der Volleyballtrainer der Tochter aus Münster und ihr Mathelehrer hatten den Kontakt hergestellt, angefangen hatte sie bereits mit acht Jahren. „Und direkt war Hanna sozial in­te­griert, schneller als der Rest der Familie“, sagt die Mutter.

Hannas Bruder spielte zu diesem Zeitpunkt noch Tennis und Fußball. „Mit der Mannschaft hat es in Hannover aber nicht mehr so gepasst“, sagt er. Also stieg auch er künftig für die GfL am Netz hoch. Nach einer einjährigen Auszeit packte den Außenangreifer beim Beachen im Sand jedoch schnell wieder die Lust. Die SFA hätten sich angeboten. „Viele kannte ich ja schon“, sagt er. Seine Großeltern Dagmar und Burkhard Krapp, in Aligse nicht nur für ihren Obstsalat bekannt, kommentierten den Wechsel trocken: „Jetzt habt ihr den Moritz auch gefangen.“

Hanna Viemann kehrte vor zwei Jahren nach Stationen beim SC Langenhagen und der GfL zu dem Verein zurück, für den sie bereits in der Jugend gespielt hatte. Neben ihren Erfolgen mit dem SFA-Nachwuchs machte die heute 20-Jährige vor al­lem im Sand auf sich aufmerksam. An der Seite ih­rer heutigen Mannschaftskollegin Inga Thiele wurde sie 2015 deutsche U18-Meisterin und ein Jahr später deutsche U19-Vizemeisterin.

Viemann ist acht Zentimeter größer als Thiele, für die sieben Monate ältere Freundin wird sie „aber immer meine große kleine Schwester bleiben. Es ist so unglaublich, dass man seine Erfolge mit seiner besten Freundin erreichen kann. Das ist ein Privileg“, sagt Thiele.

Beinahe wäre Hanna Viemann nach dem Abitur sogar im Olympiastützpunkt in Hamburg gelandet, doch die Verantwortlichen nahmen ihr die Entscheidung ab. „Vielleicht ist das doch nicht so das Richtige für dich“, sagten sie zu ihr. In Stuttgart und Berlin fühlte sie sich nicht wohl, die Profilaufbahn war ad acta gelegt. „Das war schon schade, dass man so links liegen gelassen worden ist“, sagt die Zuspielerin, „ich sagte mir: Okay, dann werde ich jetzt ein normales Leben führen, Volleyball als Hobby sehen und Spaß haben.“

Gesagt, getan. Im dritten Semester studiert die 20-Jährige nun Sport und Theologie auf Lehramt. Zurück in Aligse, stieg Viemann mit den SFA sogleich in die 2. Liga auf – und steht mit ihnen nach dem Abstieg schon wieder auf Platz zwei der 3. Liga. Für Matthias Raschke ist sie ein wichtiger Baustein. „Sie ist dieser MVP-Typ, eine Allrounderin. Eine, die die Situation am schnellsten einschätzt und aus Scheiße Gold macht“, sagt ihr Co-Trainer. Die Mutter fügt hinzu: „Wenn der Rest wackelt, dann wackelt sie nicht.“

Was verbindet die Geschwister? „Sie sind beide sehr abgeklärt und ruhig, sind für ihr Alter sehr erwachsen und selbstständig“, sagt Mitspieler Marten Ahlborn. Für Hanna Viemann ist das vor allem der Spaß am Sport: „Immer wenn wir was gemeinsam machen, hat es was mit Sport zu tun.“ Sie seien beide „ziemlich positive Menschen“, sagt Moritz. Hanna spricht von einer starken Geschwisterliebe: „Ich weiß nicht, wo genau das herkommt, aber wir sind zu dritt stark und mit der Zeit ein richtig gutes Team geworden.“

Das Leben verläuft nicht im­mer linear, sondern eher in Wellenform. Ähnlich wie ein Volleyballspiel halt. „Aligse war schon immer eine kleine Familie“, sagt Moritz Viemann, „jetzt merke ich so langsam, was da alles hintersteckt. Hierher zu wechseln, war auf jeden Fall der absolut richtige Schritt.“ Auch die Schwester hat derzeit nichts auszusetzen: „So wie es jetzt ist, bin ich komplett zufrieden. Ge­ra­de macht es extrem Spaß.“

Das nächste Heimspiel des HC/GfL steht übrigens am 21. Oktober in der Lutherschule auf dem Programm. Nur schon mal zum Vormerken für den Familienkalender.

Quelle: Neue Presse vom 09.10.2019, Seite 11, von Christoph Hage, Fotos: Debbie Jayne Kinsey
Nach oben